4 Analyse der Regelstrecke

In diesem Kapitel werden hauptsächlich die Ergebnisse der Untersuchung neuer und geänderter Komponenten dargestellt. Da bei der Erstellung der Regelung der Weg über die sprachliche Formulierung von Expertenwissen gewählt wurde, beziehen sich die Untersuchungen vor allem auf die Aneignung einer Wissensbasis. Um die Strecke vom regelungstechnischen Standpunkt betrachten und bewerten zu können, wurden auch Untersuchungen bzw. Betrachtungen bezüglich des Regelverhaltens einzelner Streckenabschnitte durchgeführt.

4.1 Statische Kennwerte

4.1.1 Abhängigkeit von Gleichgewichtsposition und Steuerspannung

Die Grundlage der gesamten Regelung ist eine reine Lageregelung. Jede Regeldifferenz muß eine Kraft in Richtung der Sollposition, hervorrufen. Bedingt durch die Nichtlinearität des Magnetfeldes stellt sich bei konventionellen Lagereglern nach einer Linearisierung oberhalb der Sollposition eine zu große und unterhalb eine zu kleine Kraft ein. Je größer die Regeldifferenz ist, desto größer ist dieser Effekt. Dies führt zu einem Aufschwingen des Regelkreises und somit dem Versagen der Regelung. An diesem Punkt greifen die Vorteile von Fuzzy-Logik ein. Fuzzy-Regler können an die Nichtlinearitäten einer Regelstrecke angepasst werden und diese somit kompensieren. Der dieser Arbeit zugrundeliegende Fuzzy-Lageregler wurde so konzipiert, daß in jedem Punkt ober- und unterhalb der Sollposition nur eine sehr kleine Kraft in Richtung derselben wirkt. Um diesen Fuzzy-Lageregler dimensionieren zu können, mußte eine Kennlinie aufgenommen werden, die Gleichgewichtspositionen, also die Positionen der Kräftelosigkeit, in Abhängigkeit von der Steuerspannung des Servoverstärkers darstellt. Zur Aufnahme dieser Kennlinie wurde die Kugel mit einem flexiblen Klebestreifen (Tesa Krepp) unter dem Magneten frei beweglich aufgehängt (siehe Abb. 4-1). Anschließend wurde die Steuerspannung des Servoverstärkers in 0.01V- Schritten soweit erhöht, bis die Kugel in Richtung Magnet beschleunigte. Das letzte Wertepaar, bei dem die Kugel noch bewegungslos blieb, wurde notiert.

 

Abbildung 4-1: Anordnung zur Ermittlung der Gleichgewichtsposition

Das aus den aufgenommenen Werten erstellte Diagramm zeigt einen linear erscheinenden Kennlinienverlauf. Der reale Kennlinienverlauf ist hingegen deutlich nichtlinear. Die Abweichungen haben im wesentlichen zwei Ursachen. Die räumliche Ausdehnung der Kugel bedingt eine Mittelung der im Bereich der Kugel liegenden Magnetischen Flußdichten. Weiterhin geht eine optische Verzerrung, die zum Rande des Objektivs hin auftritt, ein. Diese kompensiert teilweise die Nichtlinearität der aufgenommenen Magnetfeldkennlinie.

 

Abbildung 4-2: Kennlinie Gleichgewichtsposition - Steuerspannung

4.1.2 Abhängigkeit: Magnetische Flußdichte von Abstand und USt

Bei einer reinen Lageregelung wirken in jedem Punkt ober- und unterhalb der Sollposition beschleunigende Kräfte. Das bedeutet, daß die Kugel die Soll-position mit einer Geschwindigkeit erreicht und überschreitet. Diesem Überschwingen, welches durch das doppelte I-Verhalten des Gliedes „Kraft in Position" (siehe 4.2.4) hervorgerufen wird, muß entgegengewirkt werden. Zu diesem Zweck wurde ein D-Verhalten, welches einen I-Anteil kompensiert und somit große Dynamiken verhindert, in den Fuzzy-Regler eingebunden,. Zur Parametrierung dieses D-Verhaltens musste eine Wissensbasis geschaffen werden, die die Auswirkungen einer Steuerspannungsvariierung in Abhängigkeit von der Position beinhaltet. Dies erfolgte über die Untersuchung der Abhängigkeit der Magnetischen Flußdichte vom Abstand zum Magneten und eingestellter Steuerspannung des Servoverstärkers.

 

Abbildung 4-3: Kennfeld Magnetische Flußdichte - Abstand, Steuerspannung

Man erkennt sehr gut, daß in der Nähe des Magneten schon eine kleine Variierung der Steuerspannung eine deutliche Änderung der Magnetischen Flußdichte hervorruft. Bereits ab ca 70 mm unterhalb des Magneten muß eine große Variierung der Steuerspannung erfolgen, um eine ähnlich große Änderung der Magnetischen Flußdichte zu erreichen. Aufgrund dieser Untersuchung wurde der Arbeitspunkt auf 48 mm (Abstand: Kugeloberkante - Magnetunterkante) gelegt. Dort ist die Nichtlinearität des Magnetfeldes minimiert, die Auswirkung einer Steuerspannungsvariierung jedoch noch ausreichend groß.

Das Kennfeld wurde mit einem Zentimetermaß und einer Hall-Sonde aufgenommen, weshalb die in der vorhergehenden Untersuchung aufgetretenen Verfälschungen nicht auftraten und die Nichtlinearität des Magnetfeldes deutlich zu erkennen ist.

4.1.3 Maximale Geschwindigkeit der Kugel

Um das D-Verhalten des Fuzzy-Reglers einstellen zu können, musste die maximal zu erwartende Geschwindigkeit der Kugel ermittelt werden. Die Kugel wurde unter die Magnetunterkante gehalten und anschließend frei fallengelassen. Dabei wurde die Position vom Positionserfassungssystem ermittelt und die Geschwindigkeit der Kugel vom PC berechnet. Die beiden Größen wurde als Analogspannung auf einen D/A-Kanal ausgegeben und mit einem Oszilloskop aufgenommen. Die Auswertung der Oszilloskopkurve ergab eine maximale Geschwindigkeit von ca.  im Erfassungsbereich der Kamera. Dies kommt dem rechnerischen Wert von  recht nahe. Da die Kugel während der Regelung immer der Anziehungskraft des Magneten unterliegt, ist die real zu erwartende Geschwindigkeit deutlich niedriger.

4.1.4 Abweichung der Kennlinie bei kaltem und warmem Magneten

Aufgrund einer während ca. einer halben Stunde nach Inbetriebnahme der Anlage auftretenden Drift des Arbeitspunktes wurden Untersuchungen des statischen Verhaltens des Magneten durchgeführt. Dabei wurden zwei um eine Stunde versetzte Kennlinien, die die Gleichgewichtsposition in Abhängigkeit von der Steuerspannung des Servoverstärkers darstellen, aufgenommen. Eine deutliche Abhängigkeit von der Temperatur des Magneten ist zu erkennen.

 

Abbildung 4-4: Abweichung Kaltwerte - Warmwerte

Aufgrund dieser Untersuchung wurde entdeckt, daß die „IxR-Kompensationskarte" im Servoverstärker eingebaut war.

4.2 Ermittlung der Übertragungsfaktoren

4.2.1 Steuerspannung - Magnetische Flußdichte

Um eine Abschätzung des Verhaltens der Strecke machen zu können, wurde das Übertragungsverhalten des Streckenteilstücks zwischen „Ausgabe der Steuerspannung" und „Magnetische Flußdichte" untersucht. Da im Labor die nötigen Einrichtungen für eine Messung des Frequenzganges des Teilsystems nicht vorhanden waren, wurde die Untersuchung im Zeitbereich durchgeführt. Dazu wurden Steuerspannungssprünge von 0 auf 10V, 0 auf 5V und 3,5 auf 5,5V über die I/O-Karte ausgegeben. Der Steuerspannungssprung und der zeitliche Verlauf der Magnetischen Flußdichte wurden mit einem Zweikanal-Oszilloskop aufgezeichnet und ausgeplottet (siehe Anhang). Zur Untersuchung der Symmetrie des Verhaltens wurde auch jeweils ein entgegengesetzter Steuerspannungssprung aufgenommen. Beide Sprungantworten waren jeweils deckungsgleich. Ein symmetrisches Verhalten kann also angenommen werden. Die Auswertung der Sprungantworten ergab ein in ausreichender Näherung als PT1 - Verhalten zu klassifizierendes Verhalten. Die einzelnen ermittelten Zeitkonstanten sind:

 

Sprung 0 auf 10V:     100 ms

Sprung 0 auf 5V:       110 ms

Sprung 3.5 auf 5.5V: 110 ms

 

Die gemittelte Zeitkonstante ist demnach T = 107 ms

Zur Ermittlung des Verstärkungsfaktors des Teilsystems wurden die statischen Werte aus Kapitel 4.1.2 herangezogen. Dabei wurden die Verstärkungsfaktoren aller fünf aufgenommenen Steuerspannungswerte eines Abstandswertes ermittelt und der Mittelwert berechnet. Die ermittelten Werte wurden in einen Graphen eingezeichnet. Man erkennt sehr gut, daß der Verstärkungsfaktor einen nichtlinearen Verlauf beschreibt. Die entstandene Kurve wurde um den Arbeitspunkt herum linearisiert. Die Linerarisierung ergab den mathematischen Zusammenhang:

 

Ks1 = 0.59 - (5.9 * d)

 

für den Verstärkungsfaktor Ks1.

 

Abbildung 4-5: Linearisierung des Verstärkungsfaktors

Es ergibt sich demnach folgender Frequenzgang des betrachteten Teilsystems:

 

 

 

mit ; (d = Abstand zum Magneten in Meter)

T = 107 ms

4.2.2 Magnetische Flußdichte - Kraft

Das folgende Glied der Strecke ist die Umsetzung der Magnetischen Flußdichte in eine Kraft. Für die Kraft eines inhomogenen Magnetfeldes auf einen ferromagnetischen Körper gilt:

 

 

 

Man erkennt leicht, daß es sich hierbei um die Kombination eines P-Gliedes und einer Nichtlinearität handelt.

 Der Frequenzgang des P-Gliedes lautet:

 

K2

 

mit K2 =

4.2.3 Subtrahierung der Gewichtskraft

Die auf die Kugel wirkende Kraft setzt sich zusammen aus der Anziehungskraft des Magneten und der entgegengesetzt wirkenden Gewichtskraft der Kugel.

Sie ergibt sich zu:

 

 

4.2.4 Kraft - Position

Aus der Formel:

 

 

 

erhält man durch zweifache Integration und Umstellen:

 

 

 

Dieses Glied stellt somit die Kombination eines P-Gliedes mit zwei I-Gliedern dar. Der Frequenzgang ergibt sich zu:

 

 

mit m = Masse der Kugel

4.2.5 Die Positionserfassung

Die Positionserfassung stellt ein Abtaster und Halteglied dar. Mit Hilfe einer in der Kamera integrierten Funktion wurde eine Abtastrate der Kamera von  ermittelt. Daraus ergibt sich eine Abtastzeit von . Der Frequenzgang lautet:

 

 

 

mit Tab = 

4.2.6 Position - Pixel

Die Umrechnung der Position in Pixel geschieht digital im PC über die Formel:

 

 

 

Man erkennt leicht, daß es sich um ein P-Glied mit nachgeschalteter Offsetaddierung handelt. Der Frequenzgang lautet:

 

 

mit 

4.3 Störgrößen

Die in der Vorgängerarbeit aufgetretenen Störungen im Positionserfassungs-system sind durch den Einsatz der digitalen Bildverarbeitung und des CAN-Bus eliminiert worden. Die Positionserfassung arbeitet störsicher. Lediglich eine falsche Positionsermittlung tritt ca. alle fünf Minuten auf. Es wird in diesen Fällen eine Position „0" ermittelt, was einen vermeindlichen plötzlichen Sprung der Position und somit eine sehr große Geschwindigkeit darstellt. Darauf reagiert die Regelung sehr heftig, was eine zu große Dynamik verursacht und die Regelung aus ihrem Regelbereich bringt. Die Ursache dieser Störung konnte nicht ermittelt werden. Vermutlich handelt es sich um einen Fehler in der Kamerasoftware. Im Regelprogramm wurde dieser Fehler jedoch durch einen Softwarefilter ausgeschaltet. Bei Ermittlung einer Nullposition wird der aktuelle Regelschleifendurchlauf abgebrochen.

Auswirkungen von Störungen innerhalb des Servoverstärkers oder auf der Strecke zwischen I/O-Karte und Servoverstärker wurden in der Praxis nicht beobachtet.

4.4 Modellbildung

Aus den vorangegangenen Untersuchungen ergibt sich die folgende Regelstrecke:

 

Abbildung 4-6: Modell der Regelstrecke  

 

 
 

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